Skalierung durch Simulation

26.02.2020

Skalierung durch Simulation

Bei der Herstellung von Getriebeölen kommt es nicht nur auf die richtigen Inhaltsstoffe an, sondern auch auf eine effektive Durchmischung von Grundölen und Additiven. Gemeinsam mit dem Simulations-Spezialisten TeSolva hat FUCHS ein numerisches Verfahren entwickelt, das den Dispergier-Vorgang ganzheitlich simuliert und visualisiert. Dadurch können Produktionsanlagen schnell an einen größeren Bedarf angepasst werden.

Die Automobilindustrie ist im Umbruch. Das betrifft auch die Schmierstoffe zur Erstbefüllung von Fahrzeugen, die in immer flexibleren Chargen bereitzustellen sind. In wachsenden Märkten müssen Produktionsanlagen zur Herstellung von Getriebeölen beispielsweise schnell nach oben hin skalierbar sein. Doch wird eine bestehende Anlage größer ausgelegt, dann müssen die Ingenieure sicherstellen, dass der Dispergierprozess und die Verteilung der einzelnen Bestandteile im Produktionsbehälter auch in der größeren Dimensionierung den hohen Anforderungen an die Durchmischung von Grundölen und Additiven genügen. „Bislang wurde in solchen Fällen häufig auf Erfahrungswerte und die Erprobung mit Prototypen zurückgegriffen“, berichtet Daniel Kieser, Prozessingenieur bei FUCHS SCHMIERSTOFFE. „Doch dieses Vorgehen ist recht zeitaufwändig und nicht immer besonders effizient.“

Die Vorgänge direkt am Dispergierkopf waren für die Simulations-Experten von FUCHS und TeSolva von besonderem Interesse.

Mit numerischer Strömungsmechanik (CFD) konnte die Feinverteilung des Entschäumers an den Dispergierzähnen visualisiert werden.

Den Dispergiervorgang simulieren

Ein Erfolg versprechender Weg, den Aufwand zu minimieren und zugleich eine hohe Qualität in den größer ausgelegten Produktionsanlagen sicherzustellen, liegt im Einsatz virtueller Verfahren wie der numerischen Strömungsmechanik, die von Fachleuten meist mit dem englischen Kürzel „CFD“ (Computational Fluid Dynamics) bezeichnet wird. Gemeinsam mit dem Simulations-Spezialisten TeSolva hat FUCHS ein solches numerisches Verfahren entwickelt, um den Dispergiervorgang bei der Herstellung eines Getriebeöls ganzheitlich zu simulieren und zu visualisieren. Das Ziel ist dabei, strömungsmechanische Fragestellungen näherungsweise mit numerischen Methoden in einem dreidimensionalen Modell zu lösen. Dazu errechnet die CFD-Simulation die Fluid-Strömungen in einer Anlage und berücksichtigt dabei insbesondere die Richtungen und Geschwindigkeiten von Gasen und Flüssigkeiten unter dem Einfluss von Scherkräften, die zum Beispiel von dem Dispergierer im Produktionsbehälter auf sie ausgeübt werden.

Allerdings entstehen dabei schnell gewaltige Datenmengen, die selbst modernste Rechner an ihre Grenzen bringen. „Eine dreidimensionale CFD-Berechnung kann auch schon mal Tage, Wochen oder sogar Monate dauern“, beschreibt Thomas Kroth, Berechnungsingenieur bei TeSolva. „Es ist also wichtig, einen Kompromiss zu finden aus Rechenzeit und Ergebnisgüte.“ Um die richtige Antwort mit vertretbarem Aufwand zu finden, müsse zum einen die Fragestellung gut und präzise formuliert werden. „Außerdem haben wir mit den Kollegen von FUCHS SCHMIERSTOFFE genau definiert, welche Vereinfachungen getroffen werden können, ohne die Antwort zu verwässern“, berichtet Kroth.

„Wir haben genau definiert, welche Vereinfachungen getroffen werden können, ohne die Antwort zu verwässern.“

THOMAS KROTH, BERECHNUNGSINGENIEUR BEI TESOLVA

Die Simulation erfasst nicht nur das Nahfeld, sondern auch die Fluid-Strömungen im gesamten Behälter.

Optimale Verteilung der Entschäumertröpfchen

In diesem Fall lag das Augenmerk der Simulation auf dem Vordispergierer, der bei dem in der Anlage hergestellten, sogenannten „ultrahoch dispergierten Getriebeöl“ (UHD) eine entscheidende Rolle spielt. Denn bei diesen Getriebeölen kommt es vor allem auf eine homogene und feine Verteilung der Entschäumertröpfchen im Herstellprozess an, um einer ungewünschten Sedimentation vorzubeugen. Außerdem wird auf diese Weise die Lagerstabilität des Schmierstoffes erhöht und eine optimale Wirkung des Entschäumers in der Anwendung erreicht – die darin liegt, Lufteinschlüsse im Getriebeöl zu vermeiden. Deswegen werden UHD-Getriebeöle in einem zweistufigen Verfahren hergestellt. Zunächst werden in einem Vordispergierbehälter der Entschäumer und weitere Additive mit etwas Grundöl vorgemischt. Im Hauptprozess wird die vorprozessierte Mischung dann im Herstellbehälter mit dem restlichen Grundöl und weiteren Additiven vermengt.

„Besonders interessant sind zunächst einmal die Vorgänge im Nahfeld rund um den Dispergierer“, schildert Prozessingenieur Daniel Kieser. „In der Simulation haben wir deswegen untersucht, wie genau der Entschäumer von den Zähnen am Dispergier-Kopf aus im Fluid verteilt wird – ob also die eingebrachte Energie ausreicht.“ Aber auch die Vorgänge in anderen Bereichen des Behälters sollten nicht außer Acht gelassen werden. Deswegen unterteilten die Simulationsexperten den gesamten Behälter mit einem Gitternetz in einzelne, unterschiedlich große Zonen: Je feinmaschiger diese Zonen sind, umso genauer werden die Strömungen berechnet; in weniger relevanten Bereichen hingegen ist das Netz grobmaschiger. „Die Mischung aus Nahfeld- und Fernfeldsimulation war die eigentliche Herausforderung“, sagt TeSolva-Experte Thomas Kroth.

Die numerische Simulation der Strömungen und Verwirbelungen wurde zunächst für einen kleineren Behälter entwickelt und dann auf einen fünfmal so großen skaliert.

Produktionsanlagen für Getriebeöle müssen schnell nach oben skalierbar sein. Die Verteilung der Bestandteile im Produktionsbehälter müssen dabei immer den hohen Anforderungen an die Durchmischung genügen.

„Mit der Simulation konnten wir nachweisen, dass der Scale-up von der kleinen zur großen Anlage funktioniert.“

DANIEL KIESER, PROZESSINGENIEUR BEI FUCHS SCHMIERSTOFFE

Simulation auf fünfmal größeren Behälter skaliert

Die numerische Simulation der Strömungen und Verwirbelungen im Fluid wurde zunächst für einen kleineren, bereits existierenden Behälter entwickelt und mit den realen, aus dem Energieeintrag berechneten Scherkräften und Fördermengen abgeglichen. Dann wurde die Simulation auf einen Behälter skaliert, der fünfmal so groß ist, um herauszufinden, ob die Scherkräfte und Fördermengen auch in diesem Fall zueinander passen und ob bestimmte Parameter – etwa die Geometrie des Behälters oder die Position des Dispergierers – angepasst werden müssen. „Mit der Simulation konnten wir nachweisen, dass der Scale-up von der kleinen zur großen Anlage funktioniert“, berichtet Kieser. „Das Projekt zeigt, dass Simulationsverfahren gut geeignet sind, um Produktionsanlagen in Zukunft noch zielgerichteter auf die Anforderungen unserer Kunden auszulegen.“ Die große, auf Grundlage der Simulation verifizierte Anlage ist derzeit im Bau und wird in Kürze für einen führenden Automobilhersteller das UHD-Getriebeöl zur Erstbefüllung von Fahrzeugen produzieren.

CFD-Simulation als Animation: Die Strömungen und Verwirbelungen mit den Scherkräften und Fördermengen abgleichen.