Herausforderung Upscaling
Mit verschiedenen Methoden können die Forscher die Leistungsfähigkeit des Enzyms optimieren. Etwa indem sie den Ursprungs-Mikroorganismus sich evolutiv weiterentwickeln lassen, in der Hoffnung, dass auch das Enzym eine Evolution durchläuft und besser wird. „Gleichzeitig müssen wir noch einen zweiten Prozess entwickeln: die biotechnologische Herstellung des Enzyms selbst“, sagt Wolfgang Aehle. Dabei kommt in der Regel nicht der Ursprungsorganismus zum Einsatz, sondern ein gut erforschter Produktionsorganismus, beispielsweise Kolibakterien. „In diese übertragen wir den genetischen Bauplan für das gewünschte Enzym, damit sie es herstellen können.“
Der BRAIN-Mitarbeiter öffnet die Tür zu einem weiteren Labor. Hier gibt es nicht nur kleine Glasreaktoren, sondern auch stählerne Kesselungetüme – das größte erstreckt sich über mehrere Stockwerke. Aehle erklärt: „Eine große Herausforderung ist das Upscaling: Wenn die Mikroorganismen in einem Ein-Liter-Fermenter wie gewünscht wachsen, heißt das noch lange nicht, dass es auch im größeren Maßstab funktioniert.“ Mindestens in einem 200-Liter-Fermenter wollen die BRAIN-Forscher die Enzymproduktion beherrschen, bevor der Prozess in die industrielle Produktion übergeben werden kann.
In der gerade abgeschlossenen dreijährigen Forschungsphase des Projekts war indes schon die Herstellung von einem Kilogramm Rohsubstanz ein Erfolg. „Dafür haben wir rund drei Gramm Enzym benötigt“, sagt Birgit Heinze. Bei FUCHS in Mannheim wiederum entstanden aus dem einen Kilogramm einige Kilo Schmierstoff. „Im Labor wurde in Vorversuchen auch schon mit Mengen ab zehn Gramm Rohstoff gearbeitet. Um solche Kleinstmengen Schmierstoff zu produzieren, stellen sich die Kollegen mit einem Thermometer ein oder zwei Stunden hin und mischen manuell“, erklärt die Teamleiterin der Vorausentwicklung, die bei FUCHS die ZeroCarb-Aktivitäten koordiniert. „Und in der Vorausentwicklung können wir dank unserer modernen Messmethoden auch tatsächlich schon mit wenigen Gramm aussagekräftige Untersuchungen anstellen.“
Entscheidend dafür: die erwähnten Rheometer. Mit wenigen Handgriffen können sie für tribometrische Tests umgerüstet werden – Messungen also, bei denen Reibung und Verschleiß mit ins Spiel kommen. „Aus diesen Ergebnissen können wir mit modernen Simulationsmethoden erstaunlich gute Vorhersagen für reale Anwendungssituationen errechnen“, sagt der Vorausentwicklungsleiter. Deshalb hat er keine Zweifel, dass der Zero- Carb-Schmierstoff funktional die Erwartungen erfüllen wird. Konkrete Anwendungstests bleiben trotzdem nötig, um die Einhaltung aller Spezifikationen nachzuweisen. Sie sollen im nächsten Skalierungsschritt – mit dann rund 50 Kilogramm Rohsubstanz – möglich werden.
Spannender findet der Schmierstoffentwickler aber einen anderen Aspekt, der ebenfalls bald angegangen werden soll: die Mindestanforderungen. „Wie sauber müssen die Ausgangsstoffe sein?“, formuliert der Leiter die entscheidende Frage. „Davon hängt schließlich der Preis ab.“ So sind es neben manchen technischen Aufgaben eben auch viele bis dato nicht seriös zu beantwortende ökonomische Fragen, die in der geplanten Projektlaufzeit bis 2022 noch als Herausforderung auf FUCHS und seine Partner warten.